Die historische Postroute verlief zu Zürners Zeiten über Jeżówka, Skotniki, Kaski, Biniewice, Błonie, Święcice, Oltarszew, Bronisze und Wola bis in die heutige Altstadt von Warszawa (Warschau). Sie entspricht damit in weiten Abschnitten dem Verlauf der heutigen Landesstraße 2, die zwar über parallel geführte Radwege bzw. breite Seitenstreifen verfügt, aber stark befahren ist. Unsere Radetappe mit den letzten 64 km zwischen Dresden und Warschau wird deshalb über kleine Straßen, Dörfer und Vorstadtsiedlungen geführt.

Auszug aus der polnischen Reisekarte (Homann, 1751)

Auszug aus der polnischen Reisekarte (Homann, 1751)

Erstes Ziel ist Żelasowa Wola, der Geburtsort Frederic Chopins. Wir starten auf dem Platz vor dem Museum und fahren über die Straßen Stanisława Staszica, Pokoju, Polna, Jana Kochanowskiego, Trojanowska, Łąkowa und Graniczna nach Orłów-Cesina, wo sich ein verfallener Friedhof im 1. Weltkrieg gefallener deutscher Soldaten befindet. Über Nowe Mostki erreichen wir nach insgesamt 7 km Żelazowa Wola.

Żelazowa Wola

In Żelazowa Wola wurde am 22. Februar (1. März) 1810 der berühmte Pianist und Komponist Frederic Chopin als Sohn von Justyna Krzyżanowski und Nicholas Chopin geboren. Die Familie zog noch im gleichen Jahr nach Warschau, wo Nicholas Chopin als Lehrer für die französische Sprache und Literatur am Warschauer Lyzeum lehrte. Das Lyzeum war zu dieser Zeit zusammen mit einigen Lehrerwohnungen im Sächsischen Palais untergebracht.
Im Sommer hielt man sich gern in Żelazowa Wola auf und Frederic konnte seine künstlerischen Fähigkeiten weiterentwickeln. Das Geburtshaus Chopins, ursprünglich nur eine Nebengebäude des Herrenhauses, wurde 1931 zum Museum umgebaut und im Stil des 19. Jh. gestaltet. Zudem wurde das umgebende Gelände als Park umgestaltet. Im 2. Weltkrieg wurde die Musik Chopins von den Deutschen verboten und Exponate des Museums zerstört. Die Wiedereröffnung erfolgte 1949 anlässlich des 100. Todestages des Komponisten.

Chopins Geburtshaus in Żelasowa Wola

Chopins Geburtshaus in Żelasowa Wola

Wir setzen unseren Weg auf der Straße 580 fort, verlassen diese aber in Strzyżew wieder, überqueren wieder die Utrata und werfen in Szczytno einen Blick auf das klassizistische Gutshaus (1824). Über Skarbikowo und Stare Izbiska kommen wir ins das idyllisch gelegene Pawłowice mit seiner klassizistischen Backsteinkirche (1805). Vor hier fahren wir nach Cholewy, queren abermals die Utrata und rollen über Nowa Górna hinein ins geschäftige Błonie.

Błonie

Błonie ist eine der ältesten Siedlungen in Masowien. Bei archäologischen Grabungen wurde eine Siedlung aus dem 8. Jh. nachgewiesen. Noch heute kündet der aus dem 12. Jh. stammende Burgwall „Łysa Góra“, östlich der Stadt an der Utrata gelegen, von dieser Zeit. Den ersten urkundlichen Nachweis enthält eine Urkunde des Fürsten von Masowien, Konrad II., aus dem Jahr 1257. Das Stadtrecht nach Magdeburger Recht wurde Błonie 1338 verliehen. Damit verbunden waren Handelsprivilegien, die die Stadt in den folgenden Jahrhunderten zu einem bedeutenden Handelszentrum an den von Westen nach Warschau führenden Straßen werden ließen.

Im 16. Jh. war Błonie eine wohlhabende Stadt, berühmt für hervorragende Lederwaren und Bier. Jeden Montag fand ein Wochenmarkt und fünf Mal jährlich Jahrmärkte statt. Im frühen 18. Jh. wurde Błonie wiederholt von den Schweden attackiert und zerstört. 1727 brannte das aus Holz errichtete Rathaus ab. August der Starke und dessen Sohn hatten somit auf ihren Reisen nach Warschau an der Passage der Stadt wohl wenig Freude. Später verlieh König Stanisław August Błonie verschiedene Privilegien, die einen Neuaufbau unterstützen und Geld in die leeren Kassen bringen sollten. Seit 1769 verfügte Błonie bereits über eine Apotheke, im Jahre 1776 wurde die Entscheidung für den Bau eines neuen Rathauses getroffen und eine Ziegelei errichtet.

Erneute Zerstörungen brachten 1794 die Kämpfe im Rahmen des Kościuszko-Aufstandes, bevor die Stadt im Jahre 1795 von den Preußen besetzt wurde. In den Jahren 1807-1815 gehörte Błonie zum Herzogtum Warschau. Ein dem Jahr 1779 stammendes Gasthaus war der Legende nach Treffpunkt von Napoléon Bonaparte und seiner Geliebten Maria Walewska. Aus dieser Zeit stammt auch das heutige „Hotel Kuźnia Napoleońska“ (96-515 Teresin-Paprotnia, ul. Sochaczewska 5), wo Napoléon – auf dem Weg nach Russland – sein Pferd neu beschlagen ließ. Um das Jahr 1800 herum wurde auch das Gutshaus „Dworek Poniatówka“ (ul. Aleja Cypriana Kamila Norwida) erbaut. Es war das Elternhaus General Jan Henryk Dąbrowskis, der hier seine frühe Kindheit verbrachte, bevor er später nach Hoyerswerda ging. Seine Mutter, Zofia-Marya Dąbrowska, hatte durch die Fürsprache des Ministers Brühl einen Mietvertrag für das Objekt erhalten.

Im Jahre 1842 wurde das neue Rathaus von Architekt Henryk Marconi entworfen. Die Wende des 19. zum 20. Jh. bracht eine stürmische wirtschaftliche Entwicklung. Im Jahr 1912, so wird berichtet, gab es in Błonie 175 Häuser, gepflasterte und mit Öllampen beleuchtete Straßen, einen Stadtpark, eine Feuerwehr, 4 Grundschulen, 3 Ärzte, 3 Restaurants, 5 Bierstuben und 51 verschiedene Geschäfte. Der Ausbruch des 1. Weltkrieges und eine Cholera-Epidemie beenden diese friedliche Periode in der Stadtgeschichte. Bei den Kämpfen des Jahres 1914 wird das Rathaus erneut durch einen Brand zerstört. Die Zwischenkriegsperiode bringt danach wieder wirtschaftliche Erholung und blühendes soziokulturelles Leben. Das Rathaus wird 1923 restauriert. Die Streichholzfabrik beschäftigt 300 Mitarbeiter. Es gab zudem eine Nägel- und Drahtwarenfabrik, eine Seifenfabrik und die Produktion von Mühlenmaschinen sowie über 200 weitere Betriebe.

Während des Zweiten Weltkriegs und der Nazi-Besatzung wurden in Błonie etwa 2500 Menschen getötet. 1939 bestand ein Übergangslager für polnische Kriegsgefangene, was danach als Arbeitslager diente. 1940 bestand ein Ghetto für 2100 Juden, die später ins Warschauer Ghetto verbracht wurden. Die Reste des jüdischen Friedhofes befinden sich am Ende der ul. Polna. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Streichholzfabrik erst in eine Uhrenfabrik, dann in ein Werk der Präzisionsmechanik und Elektronik mit mehr als 2000 Mitarbeitern umgewandelt. In den 80er Jahren wurde dieses Wiege und Błonie wichtiges Zentrum der Solidarnosc-Bewegung in Masowien.

Bedeutendstes Baudenkmal in Błonie ist – neben dem Rathaus – die aus dem 13. Jh. stammende dreischiffige Dreifaltigkeits-Pfarrkirche (Kościół Świętej Trójcy), die neben romanischen auch gotische Elemente aufweist. Bemerkenswert sind insbesondere die spätgotischen Gewölbe in der alten Sakristei. Im 17. Jh. erfolgte eine Barockisierung. Ausstattungsgegenstände der Kirche sind u. a. der vergoldete, hölzerne Renaissancealtar (1642-1652?), eine barocke Kanzel, ein die Heilige Dreifaltigkeit darstellendes Gemälde von 1873, ein Bild der Muttergottes von Tschenstochau (2. Hälfte 18. Jh.), barocke Statuen aus dem 18. Jh. sowie die aus dem 17. Jh. stammende Orgel.

Nur noch ein paar Kilometer

Sächischer Garten in Warschau

Sächischer Garten in Warschau

Wir verlassen Błonie und fahren auf der Landesstraße 2 reichlich 2 km bis nach Kopytów, wo wir links in Richtung Radzików und Łażniew abbiegen. Von dort geht es über einen gut befahrbaren Feldweg in nordöstlicher Richtung nach Myszczyn, dann in östlicher Richtung weiter über Pilaszków, Pogroszew, Umiastów nach Strzykuły. Dort biegen wir links in die ul. Wieruchowska ab und gelangen nach Babice Nowe, gelegen an der Straße 580. Dieser viel befahrenen, aber mit einem Radweg versehenen Straße folgen wir nun bis hinein nach Warschau. Die Straße führt durch den Stadtteil Wola, wo sich früher der Ort vieler Königswahlen, darunter auch der Augusts des Starken, befand. Am Abzweig der ul. Jana Ostroroga von der ul. Obozowa befindet sich ein großes Denkmal, welches daran erinnert. Um dorthin zu gelangen, kann man im Stadtteil Młynów links in die ul. Płocka, die zur ul. Obozowa führt, abbiegen.

Wer zunächst kein anderes Ziel in Warschau hat, sollte nun durch den Sächsischen Garten (Saski Ogród) zum Königsschloss (Zamek Królewski) fahren und dort das Erreichen des Tourzieles in gebührender Weise feiern! Herzlichen Glückwunsch!

 

Links:

http://chopin.museum/en

http://www.warsawtour.pl/de/node/159967

http://www.blonie.pl

http://www.napoleon.waw.pl/

http://www.sztetl.org.pl/pl/article/blonie/12,cmentarze/1938,cmentarz-zydowski-w-bloniu-ul-polna-/

http://www.warsawtour.pl/de/node/162505